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Tot in der Schule

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tot in der Schule

An´ Ballo

ISBN (Buch): 978-3-940627-01-8

Preis: € 5,00 (reduziert wegen Abverkauf)

 

 

Kurzbeschreibung:

Jack Morgen, der Schulleiter, wird tot in einem Container vor seiner Schule aufgefunden. Der Kommissar Paul und seine unkonventionelle Kollegin Sybille werden zum Tatort gerufen. Beide keine Kostverächter, versuchen den Fall auf ihre Art zu lösen, bis es zu einer unerwarteten Wendung kommt... 

Das Erstlingswerk von An´ Ballo verwebt geschickt schwarzen englischen Humor mit einem Schuss Romantik und menschlichen Tragödien.   

 

 

Leseprobe:

Die Spurensicherung war vor uns eingetroffen und bereits vollauf beschäftigt.

„Hallo Doktor, Gerhard, was gibt es hier für uns zu sehen?“

„Kommt her, aber tretet hier nicht in die riesige Blutlache!“

Er deutete in den großen metallenen Müllcontainer. Ich warf einen Blick hinein und begann auch schon zu würgen. Schnell drehte ich mich weg und erbrach mich zwischen dem blutverschmierten Container und der Hauswand. Nach so vielen Berufsjahren gehört schon einiges dazu, dass ich einen Tatort als schlimm bezeichne, doch der Anblick hat mich diesmal überrascht. Der Hof war voll von kleinen Gruppen gaffender Lehrer und Schüler, die die Spurensicherung bei ihrer Arbeit störten. Eines der Mädchen saß heulend auf der Eingangsstufe zur Schule und konnte sich gar nicht mehr einkriegen. Die vier uniformierten Polizisten hatten alle Hände voll zu tun, den Tatort abzusperren und von den Gaffern frei zu halten.

Aus dem Müllcontainer hing ein Fuß heraus. Die Spurensicherung spannte genervt das Umfeld mit Tüchern ab, damit die Leiche ungestört und unbeobachtet aus dem Container geborgen werden konnte. Ich hatte mich wieder halbwegs erholt. Nur mühsam brachte ich heraus: „Ich habe schon vieles gesehen, aber das …“

„Was würde ich als Pathologe machen? Nicht nur ansehen, auch anfassen und aufschneiden gehört zu meinem schönen Handwerk. Wenn ich da immer kotzen müsste, das wäre ja nicht zum Aushalten.“

„Ist schon gut. Was kannst du uns auf die Schnelle sagen?“

„Der Schädel wurde ihm eingeschlagen, eine Kniescheibe zertrümmert, einige Rippen gebrochen, die Zunge hat ihm jemand heraus- und seine Genitalien komplett abgeschnitten. Eine saubere Arbeit.“

Er fügte hinzu, dass es wohl ein stumpfer Gegenstand gewesen sei, der die Deformation auf dem Kopf ausgelöst hatte und für den Tod ausgereicht hätte. Diesen Satz hatten wir bereits hunderte Male gehört. Scheinbar bestand die Welt nur aus stumpfen Gegenständen. Der Doktor meinte noch, dass er erst morgen mit der Obduktion und den Ergebnissen fertig sei.

„Wer hat die Leiche gefunden?“, fragte ich nach.

Gerhard deutete auf einen Priester, der etwas abseits stand. Wir traten auf ihn zu und ohne unsere Legitimation oder Fragen abzuwarten begann dieser sofort: „Ich bin, wie sonst auch, über unseren kleinen Pfad durch den Pfarrgarten gekommen, weil ich die ersten drei Stunden in der Schule katholischen Religionsunterricht geben wollte. In dem Moment, als ich hier an den Tonnen vorbei gegangen bin, hat mich eine Frau von der Straße her gegrüßt und ich bin versehentlich in die Blutlache gestiegen. Hoffentlich geht das wieder ab.“

Er hob seinen rechten Fuß und zeigte uns, dass er vorne am Schuh etwas Blut kleben hatte. Sybille unterbrach seinen Redefluss: „Ja, und dann?“

„Der Hausmeister kam mit drei Plastikbeuteln um die Hecke und ging auf den Container zu. Da habe ich gesehen, dass dieser Fuß, mit den furchtbar teuren Schuhen dran, aus der Tonne hing. Ich wusste sofort, dieser Fuß gehört Jack Morgen, dem Schulleiter. Sie werden sicher fragen, warum? Niemand in der Gegend trägt so teuere Schuhe. Ich habe ihn einmal danach gefragt und er hatte nur gemeint: ´auf den Füßen steht man ein Leben lang, daher steht ihnen auch ein vernünftiger Schuh zu´. Ich habe mit dem Hausmeister den Deckel zurückgeschoben. Furchtbar, wie unser Jack da lag. Sie sehen mich erstaunt an. Auch ich war von der Situation überrascht. Mein Beruf bringt es mit sich, sich mit Toten und Verstorbenen auseinander zu setzen. Doch es ist etwas anderes, wenn sie einen Verstorben sauber gewaschen und angezogen vor sich oder eine blutverschmierte Leiche angefasst haben.“

„Was haben Sie sonst noch alles angefasst?“

Er zuckte kurz mit der Schulter.

„Weiß nicht genau, ich stand hier“, er deutete auf die Tonne „und der Hausmeister da drüben. Wir haben den Deckel gemeinsam zurückgeschoben. Daher werden Sie wohl unsere Fingerabdrücke auf dem Deckel finden.“

Er versuchte nebenbei seine Schuhe am nassen Gras abzuwischen.

„Wir müssen ihre Schuhe untersuchen. Wenn wir mit den Ermittlungen fertig sind, bekommen sie die Schuhe wieder zurück. Dann hat sie die Spurensicherung mit unseren Mitteln gereinigt. Sie müssen jetzt ihre Schuhe ausziehen, damit keine Spuren verwischt werden. Dann können Sie in den Pfarrhof, um sich neue Schuhe anzuziehen.“

„Muss das wirklich sein?“

„Ja, Spur ist Spur. Vielleicht haben gerade Sie eine wichtige Spur an den Sohlen.“

Plötzlich lächelte Sybille: „Verzeihen Sie mir, aber ich habe noch nie einen Priester in Socken durch den Garten eilen sehen.“

Der Priester schüttelte den Kopf, und schon war er weg.

 

Dr. Klein, der Geschäftsführer der Schul GmbH, versuchte verzweifelt die Schüler ins Schulhaus zurückzudrängen. Da wurde es meiner Kollegin zu viel. Sie fühlte sich bedrängt und in ihrer Arbeit behindert. Nun merkte ich, dass sie etwas schräg drauf war. Sie riss die Dienstwaffe aus dem Halfter und schrie: „Wenn Ihr nicht sofort im Schulhaus verschwunden seid, helfe ich nach!“

Sie hätten sich beinahe in der Tür über den Haufen gerannt, so flitzten sie ins Schulgebäude. Dann gafften sie aus den vielen Fenstern der beiden Ebenen. Billi richtete die Waffe auf ein Fenster und alle tauchten sofort blitzartig ab.

Ich wendete mich erneut dem Toten zu. So sah also ein Krawattenträger aus, wenn ihm der Schädel eingeschlagen wurde. Sybille setzte sich auf die Stufen des Seiteneingangs und betrachtete nachdenklich das Schulgebäude. Was wohl in ihr vorging? Was unser Chef wieder für ein Theater und ihr Vorhaltungen, wegen der massiven Bedrohung der Schüler, machen würde? Sicher war für mich nur, dass ein Schüler oder die Eltern die Kollegin wegen der Bedrohung mit einer scharfen Waffe anzeigen oder wenigstens die örtliche Presse einschalten würden. Alles schien heute schief zu laufen.

Wir waren noch am Tatort, als der Priester an uns vorbei eilte. Sybille rief ihm nach: „Halten Sie einen Moment!“

„Was ist, wollen Sie etwa meine neuen Schuhe auch noch?“

„Nein, ich wollte wissen, wo und wann ich sie erreichen kann.“

„Die einzig sichere Zeit ist zwischen 13:00 Uhr und 14:00 Uhr. Da liege ich auf meiner Couch, denn die Tage sind lang und manche Abende noch länger.“

Der Gong im Schulgebäude erklang und er sagte: „Kommen Sie nach der dritten Stunde, wenn Sie noch Fragen haben. Da ist die große Pause.“

„Wir machen es anders. Sie kommen in der Pause hier her, dann können Sie uns den Hergang nochmal erklären.“

„Wenn es sein muss.“

 

Kaum war der Gong zur großen Pause verklungen, kam er auf uns zu.

„Was können Sie uns über den Schulleiter sagen?“

„Man soll über Tote nicht schlecht reden.“

„Warum, ist das hier der Fall?“

„Ich bin mir bis heute nicht sicher, was Jack Morgen für ein Mensch war. Er war schon seltsam, irgendwie zerrissen und er hatte offensichtlich keine Wurzeln.“

„Wie meinen Sie das?“

„Ich versuche es Ihnen zu erklären.“

Nun fiel mir auf, dass er mich als Gesprächspartner ignorierte, weil er voll auf Sybille konzentriert war.

„Ein Dortmunder unterrichtet hier in Straubing, ist Schulleiter und lebt weit weg in Bad Kötzting. Es erschien mir immer so, als sei sein Leben die Autobahn und die Landstraße. Wenn er nicht zwischen Wohnort und Arbeitsplatz pendelte, dann war er auf den Weg zu seinem Fußballverein. Nicht etwa in der Nachbarschaft, sondern in Dortmund. Ich glaube der war so fußballverrückt, der hat auch in Bettwäsche seines Fußballvereins geschlafen. Ich wollte aber nichts Schlechtes über den Toten sagen. Er war für mich ein seltsamer, aber ein guter Mensch. Als ich einmal in der Pause mit ihm ins Gespräch kam und ihm erzählte, dass ich für eine arme Familie Hausrat und Möbel sammle, hat er spontan in seine Hosentasche gefasst, so eine komische Klammer herausgezogen und mir einfach fünfzig Euro in die Hand gedrückt. Dabei hatte er gesagt, wenn es nicht reichen sollte, bräuchte ich es nur zu sagen. Er hatte das Bündel mit den Fünfzigeuroscheinen fast wieder eingesteckt, als er mir noch einen herauszog und mit einem Lächeln sagte: ´Für heute sind der guten Werke genug´. Doch er hätte eine Bitte. Ich möge ihn ja nicht irgendwo erwähnen. Das wollte er nicht.“

„Haben Sie noch öfter eine Spende bekommen?“

„Als seine Tochter in Bad Kötzting getauft wurde, hat er unserer Pfarrei Tage einen größeren Betrag zukommen lassen. Beim Pfarrfest hat er mir ein Kuvert in die Hand gedrückt und gesagt: ´Verwenden Sie es so, wie Sie es für richtig halten´. Ich kann mich über ihn nicht beschweren, er war ein großzügiger Mensch, auch wenn er ab und zu seltsam war.“