Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

Lynchen in München

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lynchen in München

Krimi-Anthologie

ISBN (Buch): 978-3-940627-21-6

Preis: € 7,00 (D); € 7,20 (A)

 

 

 

Kurzbeschreibung:

München, die bayerische Metropole des Krimis ist facettenreich, wenn es um wahrlich mordsmäßige Geschichten geht. Wer hätte es gedacht, dass Krampusse noch immer ihr Unwesen treiben oder Wölfe im Forstenrieder Park Beute machen...

 

 

Tauchen Sie ein in die kriminelle Welt von:

  • Fiona Feuz
  • Elisabeth Petermaier
  • Katharina Lukas
  • Jochen Bender
  • Christina Wermescher,
  • Carin Schlosser

 

 

Leseprobe:

Fiona Feuz

 

Blutiger Geselle

          

 

15.15 Uhr

Annette Kleist blickte finster auf den Mann, der verkrümmt im Schnee lag. Eben noch war sie neben Jens auf dem Marienplatz gestanden und hatte auf den Beginn des Krampuslauf gewartet. Es war der zweite Adventssonntag im Jahr und die Krampusse waren unterwegs.

Weshalb musste sie ausgerechnet in diesem Moment an einen Tatort gerufen werden? So hatte sie sich ihr erstes Date seit langem definitiv nicht vorgestellt.

„Du bist früh hier“, begrüßte sie der Rechtsmediziner Hans Müller.

Das war auch kein Wunder, denn die Dreifaltigkeitskirche, in deren Hinterhof sich der Tote befand, war zu Fuß nur gerade zehn Minuten vom Marienplatz entfernt.

„Sieht aus wie ein Verbrechen im Mittelalter“, sagte sie, ohne auf seinen Kommentar einzugehen.

Der Tote lag neben der Treppe zum Seiteneingang der Kirche, sein Mund war aufgerissen und seine Augen geschlossen. Er trug ein olivgrünes Gewand, eine Kordel um die Taille und einen grauen Filzhut. In seiner Brust steckte ein blutiges Schwert. Annette schauderte. Wie konnte man jemanden so kaltblütig erstechen?

Sie kauerte sich neben den Toten und betrachtete die Blutspur im Schnee, ehe sie sich die Handschuhe überzog.

‚Bestimmt hatte er auf dem Mittelaltermarkt gearbeitet’, dachte sie, während sie den Lederbeutel neben dem Toten untersuchte. Doch das teure Bugatti Portmonee, das sie darin fand, passte nicht so recht ins Bild.

Der Tote hieß Walter Brunner und war 46 Jahre alt.

„Der Mann ist noch nicht lange tot, ich gehe davon aus, dass die Tat noch keine halbe Stunde her ist. Es gibt einige Spuren eines Kampfes, der Täter muss stark gewesen sein, ich vermute männlich. Genauere Informationen schicke ich dir noch“, brummte Müller, ehe er mit Hilfe seiner Mitarbeitenden das Schwert aus der Brust des Toten zog.

Annette dachte unwillkürlich an König Arthur, der als einziger Exkalibur aus dem Stein befreien konnte.

„Immerhin haben wir die Tatwaffe“, murmelte Samuel Pfister, der nach ihr eingetroffen war und gebannt Müller zusah. Er war neu in ihrem Team und noch nicht sehr erfahren im Außendienst, aber hervorragend in der Recherchearbeit.

Pfister half Müller mit dem Schwert, wobei sie fast das Gleichgewicht verloren. Annette verdrehte die Augen und setzte ihre Untersuchung fort. Unter dem Gewand des Toten entdeckte sie etwas Braunes. Sie fischte es vorsichtig aus dem Schnee. Es war ein abgebrochenes Streichholz. 

„Sieht aus wie dieses Spiel, wo man ein Streichholz ziehen muss“, sagte Pfister mit dem Schwert in der Hand.

Annette nickte. „Und unser Opfer hatte wohl das Kürzeste gezogen.“

 

15.30 Uhr

Klaus Lieberherr rannte durch die Straßen bis hoch zur Dreifaltigkeitskirche, was gar nicht so einfach war, denn an diesem zweiten Adventssonntag schien es, als wäre halb München auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken. Seine Enkelin Franziska hatte Mühe mit ihm schrittzuhalten.

Schon von weitem sah er das rot-weiße Absperrband und den Trubel an neugierigen Passanten.

‚Ich habe Recht gehabt’, dachte er völlig außer Atem.

Er zwängte sich mit Franziska an der Hand in die vorderste Reihe. Neben ihnen filmte jemand. Die Leiche war glücklicherweise schon zugedeckt.

„Hallo Sie!“, rief er einem Polizisten zu. Er winkte auffällig, doch erst bei seinem dritten Rufen kam der Polizist widerwillig zum Absperrband.

Er war jung und hatte halblanges, braunes Haar.

„Ja?“

„Ich habe etwas gesehen“, rief Klaus und konnte seine Aufregung kaum verbregen. Der Polizist zog desinteressiert eine Augenbraue hoch.

„Wir waren gerade in der ChristkindlTram, haben Glühwein getrunken, aus dem Fenster geblickt und da sah ich ihn.“

„Wen?“, fragte der Polizist mehr aus Höflichkeit. Klaus spürte deutlich, wie er in ihm nur einen senilen Schaulustigen sah.

„Den Krampus“, sagte er mit leiser, fast bedrohlicher Stimme.

„Wen?“

„Na, das sind diese Wesen mit Fell und schaurigen Holzmasken“, erklärte Franziska mit heller Stimme.

‚Sie ist erstaunlich mutig für ihre zehn Jahre’, dachte er. 

Der junge Polizist war weniger begeistert, er blickte zu ihr hinunter, als hätte er noch nie ein Kind gesehen.

„Ich weiß natürlich, was Krampusse sind“, schnauzte er. „Außerdem haben Kinder hier nichts verloren...“

Ehe er weitersprechen konnte, rief eine Frau mit blonden Haaren ihn an den Tatort: „Pfister, wir brauchen Sie hier!“

Geschwind notierte sich der Polizist noch Klaus Nummer, ehe er grußlos zur Kirche eilte.

Klaus musste kein Hellseher sein, um zu wissen, dass der junge Polizist ihnen kein Wort geglaubt hatte.