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Kurzgeschichten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kurzgeschichten

Michael Blaschke

ISBN (Buch): 978-3-940627-12-4

Preis: € 10,00 (D); € 10,30 (A)

 

 

Inhaltsbeschreibung:

In der Kurzgeschichte "In falscher Zeit gelebt" wird der Lebens- und Leidensweg des jüdischen Kleinwarenhändlers Levi Baum aufgezeichnet, der gerne in der schönen Kinder- und Jugendzeit mit seiner Mutter schwelgt und dabei in seiner Einfachheit das Geschehen um ihn herum nicht richtig deutet. Eines Tages erscheinen bei ihm Parteifunktionäre und wollen seinen Laden übernehmen. Sie machen ihm ein schlechtes Angebot und Levi nimmt es an, weil er weiß, dass er keine andere Wahl hat. Kurz darauf erscheint ein guter alter Bekannter seines Vaters, der ihn für eine Weile auf seinem Gutshof beherbergt...

Die Kurzgeschichte "Fatale Entscheidung" handelt von einem Ehepaar, dessen einziger Sohn an die Ostfront beordert wird und fällt. Daraufhin entschließt sich seine Mutter dem Regime Widerstand entgegen zu setzen. In ihrem Eifer wird sie blind für die damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben...

 

 

Leseprobe:

In einem kleinen Städtchen, in der Nähe der deutsch-polnischen Grenze, lebte der Jude Levi. Die Welt in diesem östlichen Grenzbereich war schon immer von den großen Veränderungen der Zeit kaum beeinflusst worden und das hatte auch seine guten Seiten. Die Probleme der Menschen beschränkten sich auf das Wesentliche, auf das Übliche oder eben auf die täglichen Dinge. Levi, der Jude, gehörte zu den Mitmenschen und die Mitmenschen gehörten zu Ihm. Er hatte in seinem bisherigen Leben keine aufregenden Erlebnisse gehabt. Er war bemüht, es allen recht zu machen. Sein Häuschen in der Nähe des Heldengedenkplatzes hatte er von seinem Vater geerbt und als einziges Kind den klei­nen Lebensmittelladen übernommen.

Ein hübsches kleines Haus mit bunten Fensterläden, einem kleinen Garten zur Straße hin, von einem weißgestrichenen Zaum umgeben. Kolonialwaren-Levi Baum stand auf einem Schild über der Tür. Levi hatte den Hang zur Gar­tenarbeit von seiner Mutter, die früh verstorben war, geerbt. Passanten blieben schon mal vor dem Gärtchen stehen und bewunderten die Reichhaltigkeit der Natur. Levi wohnte am Rande der kleinen Stadt und in dieser etwas abgelege­nen Gegend spürte man in den Sommermonaten, bei schönem Wetter, diesen schweren vom Duft unzähliger Blumen geschwängerte, bleierne Hitze die auch Nachts kaum zu ertragen war. Schaute man den geraden, besseren Feld weg hinunter, so verschwanden die einzelnen Gehöfte in der flimmernden Luft Die Winter hingegen hatten die Landschaft fest im Griff und Kältegrade weit unter dem Gefrierpunkt waren keine Seltenheit. Mensch und Tier unter einem Dach wärmten sich gegenseitig.

Levi saß Sommer wie Winter hinter dem Verkaufstresen um auf Kundschaft zu warten. Kleine Leute waren seine Kunden, die überwiegend auf dem Lande lebten Arbeiter, Tagelöhner, auch kleine Angestellte. Es war damals üblich an­schreiben zu lassen und  so manche Frau, in Begleitung ihrer Kinder, holte sich das Lebensnotwendigste um es am Monatsende zu bezahlen. Levi, ein kleiner untersetzter Mann, mittleren Alters kannte seine Leute und auf seinem breiten, gutmütigen Gesicht fand man selten abweisende Gleichgültigkeit, die dem Satten so eigen ist.

In dieser entlegenen Gegend des Reiches waren die meisten Leute arm und  nur zu oft gingen die Kinder abends mit leeren Mägen ins Bett. Levi dachte oft an die vergangenen Jahre, an seine Kindheit an seine Eltern. Nach dem Tod seiner Mutter war ein Teil, ein sehr wichtiger Teil, für immer verschwunden und er empfand das Leben im Hause leer und trostlos. Er war ja noch ein Kind und sein Vater gab sich alle Mühe aus ihm einen lebensfähigen Menschen zu machen. Er hielt sich an das, was er als Kind selbst erlebt hatte. Es waren Tugenden die aus ihm einen tüchtigen Bürger machen sollten. Was dem kleinen Levi fehlte, war die nötige Nestwärme. Seine Mutter besaß eine Geige, auf der sie, wenn es die Zeit erlaubte, oft spielte, während der kleine Levi andächtig zuhörte.

Ihre Melodien fand sie aus einer Zeit, in der sie selbst noch ein kleines Mäd­chen war. Sie spielte die alten Weisen, die sie in ihren Kindertagen oft gehört hatte. Als Levi größer wurde durfte er unter ihrer Anleitung das Geigen spielen lernen und nach und nach beherrschte er die Grundbegriffe. Nach dem Tod der Mutter war ihm, als sei die Muse verschwunden für alle Zeit. Sein Vater hatte für solche Dinge kein Verständnis, er war ein praktisch denkender Mann. Er meinte, dass sein einziger Sohn einen ordentlichen Beruf erlernen sollte. Ursprünglich sollte Levi von der Volksschule auf eine höhere Anstalt wech­seln, aber die Schulleitung sperrte sich dagegen, mit fadenscheinigen Argu­menten. Sie wollten keine jüdische Krämerseele und zeigten letztlich ihre Judenfeindlichkeit. Mit Verbitterung musste Levis Vater diese antisemitische Einstellung zur Kenntnis nehmen. Hier machte sich der Einfluss der preußi­schen Landjunker und Viehbarone bemerkbar. Sie wollten unter sich bleiben, alte eingestaubte und völlig überlebte Traditionen pflegen und als knochenbleiche Calvinisten dafür beten, das es für alle Zeit so bleiben möge. Die Volk­schule befand sich in der Stadt, ein alter Backsteinbau, um die Jahrhundert­wende erbaut. Es regierte der Rohrstock und auf dem Schulhof das Gesetz der Stärke. Wer sich nicht schlagen wollte oder konnte, hatte für immer verlo­ren. Der Lehrstoff war inhaltlich sehr bescheiden und die schlecht bezahlten Lehrer gaben sich keine große Mühe. Levi hatte es nicht leicht, als Jude war es das reinste Spießrutenlaufen. Auf dem Nachhauseweg wurde er oft be­schimpft und auch geschlagen. Die Klassen bestanden zum größten Teil aus Kindern der armen Landbevölkerung, sowie der polnischen Minderheit. Die Lehrer interessierten sich nicht dafür, was sich auf dem Schulhof abspielte. Prügeleien unter Jungs fanden Sie, als eine Art Selbstbehauptung, völlig nor­mal. Kam es zu Verletzungen, musste einer der Lehrer als Sanitäter die Sache in Ordnung bringen. Die Mädchen übten sich in Bescheidenheit. Sie waren in der Regel sauber, fleißig und artig. Sollte die Eine oder Andere im Unterricht etwas schwerfällig sein, so war das nicht weiter tragisch, denn ihr Weg war vorgezeichnet. Die meisten heirateten in den Lebensbereich aus dem sie ka­men, und sollte das nicht möglich sein, wurden sie Mägde oder Haushaltshilfen. Freunde hatte Levi keine, aber eines der Mädchen hatte es ihm angetan. Sie war die Tochter des Forstgehilfen. Auch sie zeigte schüchtern und ängstlich ein Interesse an Levi. Sie war groß und schlank und ihre blonden Zöpfe waren, da sie ein lebhaftes Mädchen war, immer in Bewegung. Sie trafen sich heim­lich an einer Waldlichtung, in der Nähe der Stadt. Es war eine sittsame, völlig harmlose Beziehung. Levi war stolz auf seine „Errungenschaft“ und er freute sich ungemein, wenn sie am Treffpunkt schon auf ihn wartete. Er brachte ihr immer etwas Süßes mit, das er im Laden seines Vaters heimlich stibitzte.